Raymund Dapp,
Pfarrer in Schöneiche von 1778 bis 1816
Raymund
Dapp stammte aus Süddeutschland, aus Geisslingen in der Nähe
Ulms. Sein Theologiestudium hatte er in Erlangen begonnen, aber neue Impulse
für das kirchliche und öffentliche Leben lockten ihn in den Norden.
In Halle an der Saale lernte er die Arbeit von August Hermann Francke,
dem Gründer des berühmten Waisenhauses, kennen und dessen Streben,
dem Christentum eine durch persönliche Entscheidung lebendige, aber
auch eine lernbare Gestalt zu geben. Das geschah durch einen Unterricht,
der nicht nur auf theologisches Wissen, sondern auch auf die Kenntnis des
täglichen Lebens und praktische Handfertigkeiten gerichtet war. Von
Halle aus zog Dapp weiter nach Norden, und zwar nach Berlin, wo er den
Wegbereitern der Aufklärung, dem Dichter Gotthold Ephraim Lessing,
dem jüdischen Philosophen Moses Mendelssohn und seinem Freund, dem
Verleger Friedrich Nicolai, begegnete. Sie traten für den verantwortlichen
Gebrauch der menschlichen Vernunft und für Toleranz ein und forderten,
das geistige Leben bei Anerkennung religiöser Unterschiede auf gemeinsames
Wirken zum Guten auszurichten. Es war Dapps Bemühen, das Gedankengut
der Aufklärung mit seinen christlichen Grundlagen zu verbinden. In
diesem Sinne hat er deutlich und lebensbezogen gepredigt und in seinen
Gemeinden Streit und üble Nachrede bekämpft und geregelte Hilfeleistungen
für die Armen gefordert. Sein "Predigtbuch für christliche Landleute"
wurde 1788 von Nicolai in Berlin herausgebracht und in vielen Gemeinden
Brandenburgs benutzt.
Schule für Schöneiche
gegründet
Zweimal hat Dapp unmittelbar
in das Leben von Kleinschönebeck und Schöneiche eingegriffen.
Zuerst, als er 1793 nach zweijährigem Vorlauf eine Arbeits- und Industrieschule
gründete. In ihr wurden die Bauernkinder ausgebildet, die oft nicht
regelmäßig in die Schule geschickt wurden und unbeaufsichtigt
blieben. Neben elementarem Schulwissen lernten sie auch praktische Fähigkeiten,
wie sie der Aufschwung von Landwirtschaft und Manufakturarbeit in dieser
Zeit erforderten. 10 Stunden wöchentlich waren für Rechnen, Lesen
und Katechismusunterricht vorgesehen, und im Sommer 30, im Winter 40 Stunden
dem Arbeitsunterricht gewidmet, in dem die Kinder mit den normalen häuslichen
Arbeiten eines Bauernhofes, aber auch mit der Verarbeitung von Schafwolle
und Flachs, Gartenbau, dem Anpflanzen von Maulbeerbäumen und der Seidenspinnerei
vertraut gemacht wurden. Da Dapp dafür gesorgt hatte, daß die
Eltern von der Bezahlung der Lehrer freigestellt wurden, war das wirklicher
Unterricht und keine verkappte Erwerbsarbeit in der Schule. Diese neuartige
Schularbeit wurde von dem Lehrer Johann Heinrich Lübke und gleichgewichtig
von dessen Frau getragen.
Besatzerwillkür beendeet
Die zweite Bewährungsprobe
für Dapps praktisches Christentum kam, als Preußen nach dem
verlorenen Krieg gegen Napoleon im Jahre 1803/04 von den Franzosen besetzt
wurde und auch in Schöneiche schlimme Übergriffe der Besatzungssoldaten
an der Tagesordnung waren. Dagegen schritt der Geistliche ein und
erreichte bei dem Gutsherren die Einstellung eines Dorfgendarmen und von
den Besatzungsbehörden größere Disziplin der französischen
Soldaten. Vielleicht hat er auch für die Unterbringung des Majors
von Lützow in Schöneiche gesorgt, der im Kampf für die Befreiung
von der französischen Herrschaft verwundet worden war. Bei seinem
Tod im Jahre 1819 wurde Dapp zu Recht als "großer Menschenfreund"
gerühmt. Er war es geworden, weil er in Jesus den Lehrer und Führer
auf seinem Weg gefunden hatte.
Konrad von
Rabenau